In Zeiten, wo ein Virus massive Einschränkungen im öffentlichen Leben und auch bei den Events im Straßenlauf zeitigt, wurde auf dem Schmöckwitzer Damm im Berliner Ortsteil Rauchfangswerder ein erster Schritt zurück zur „Normalität“ vollzogen. Fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde auf einer absolut ebenen und geraden Pendelstrecke die „Berlin 10K Invitational“ ausgetragen, für die organisatorisch SCC-Events durch Race Director Mark Milde sowie der Laufsport-Manager Christoph Kopp verantwortlich zeichneten. Während aktuell die Topelite in abstrusen Garten-Wettkämpfen oder pseudo-virtuellen Aktionen Wege der Aktivität suchen, wurde in Berlin – unter Einhaltung der Virus-diktierten Einschränkungen – mit zertifizierter Strecke und Kampfgericht vom Berliner Verband ein offizieller Strassenlauf über eine Distanz von 10 km ausgetragen.
Das Starterfeld der Männer kurz vor dem Start um 9:35 Uhr. Vorne rechts der spätere Sieger Johannes Motschmann, ganz links der Race Director vom Berlin Marathon Mark Milde. (c) B. Winter
Was zunächst nur als ein Testlauf mit wenigen Läufern des SCC Events Pro Teams unter Coach Dieter Hogen geplant war, erhielt im Vorfeld schnell eine Eigendynamik und führte am Ende zu einem „richtigen“ Wettkampf über 10 km auf einer sehr schnellen Strecke, die mit Hilfe vom IAAF Grade A Vermesser, John Kunkeler (Berlin), offiziell zertifiziert wurde. Unter Beachtung der behördlichen Auflagen fanden sich am 7. Juni um 9:35 Uhr (Männer), bzw. 9:37 Uhr (Frauen) Starterfelder ein, bei denen die Teilnahme der deutschen Topläuferin Alina Reh (SSV Ulm 1846) ein besonderes Highlight war. Alina absolviert derzeit ein Trainingslager im nahen Leistungszentrum Kienbaum und entschloss sich erst wenige Tage vor dem Event zu einer Teilnahme. Dabei zeigte ein Solo-Testlauf vor Monatsfrist auf der Bahn in der süddeutschen Heimat über 5000 m in starken 15:18 Minuten ihre trotz Corona-Zeiten ausgezeichnete Form, die sie nun zu einem Angriff auf den Landesrekord von 30:57 durch Irina Mikitenko aus dem Jahr 2008 nutzen wollte.
Zunächst wurde das Rennen der Männer gestartet, in dem sich Johannes Motschmann (SCC Events Pro Team) zusammen mit Nils Voigt (TV Wattenscheid) schnell von der Konkurrenz absetzten. Nach der Wende bei 5 km in 14:36 lagen die Beiden bereits 10 Sekunden vor dem Quartett Fabian Clarkson (SCC Events Pro Team), René Menzel (Hannover Athletics), Tim Ramdane (LG Telis Finanz Regensburg) sowie Lokalmatador Mustapha Al Quartassy (VFL Fortuna Marzahn/Berlin). Auf den letzten beiden Kilometern konnte sich Motschmann von seinem Mitstreiter lösen, um das Rennen in neuer persönlicher Bestzeit von 29:11 zu gewinnen. Zuvor war der 3000m-Hindernislauf-Spezialist in Hamburg im letzten Jahr die 10 km in 31:13 am schnellsten gelaufen.
Johannes Motschmann (SCC Events Pro Team) gewann den Lauf in Rauchfangswerder in 29:11 Minuten. (c) B. Winter
Zweiter wurde Nils Voigt, der in 29:24 gleichfalls seine PB von 30:02 (Berlin 2019) erheblich steigern konnte. Den Kampf um die Plätze im Verfolger-Quartett, aus dem nach der Wende Al Quartassy zurückgefallen war, gewann Fabian Clarkson in 29:36, auch dies war Bestzeit für den Berliner. René Menzel aus Hannover wurde in 29:38 Vierter knapp vor Tim Ramdane aus Regensburg in 29:40. Auch hier wurden persönliche Bestzeiten notiert. Al Quartassy, der Mann mit der besten Vorleistung von 29:30,78, wurde in 30:07 nur Sechster.
2 Minuten nach den Männern wurde das Frauenfeld vom Starter auf die Strecke geschickt. (c) B. Winter
Bei leichtem Nieselregen und Temperaturen um 15°C erfolgte 2 Minuten nach den Männern der Start der Frauen. Sofort setzte sich Alina Reh an die Spitze und lag bereits nach 200 m zusammen mit ihrem „Hasen“ Detlef Knall (Team Memmert) deutlich vor der Konkurrenz. Schnell wurde ein gleichmäßiges Tempo gefunden, das aber mit ersten km-Splits von 3:09, 3:08 und 3:09 hinter den Splits zum Landesrekord um 3:06 etwas zurückblieb. In 9:26 lag man an der Wende bei 3 km in Rauchfangswerder etwa 8 Sekunden zum Rekord zurück, der Rückstand vergrößerte sich zur zweiten Wende bei 5 km in 15:44 auf 16 Sekunden. Irinia Mikitenko lief damals bei der DM in Karlsruhe Welt-Jahresbestzeit und passierte die Halbdistanz nach 15:27. Das Unternehmen deutscher Rekord war hier bereits erledigt.
Alin Reh hat soeben mit Tempomacher Detlef Knall die 5 km-Marke nach der zweiten Wende passiert. Dahinter auf dem Fahrrad der Coach von Alina, Ex-Weltklassegeher und Bundestrainer André Höhne. (c) B. Winter
Dahinter folgte bei 5 km in 16:27 mit deutlichem Abstand die deutsche Top-Marathonläuferin Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt) und Caterina Granz (LG Nord Berlin). Und eine volle Minute später folgte das Geschwisterduo Deborah und Rabea Schöneborn von der LG Nord Berlin. Auf dem Weg zur Wende bei 7 km führten an der Spitze km-Splits von 3:10 und 3:14 zur einer Zeit im Ziel von nur noch 31:38. Hinter dem Duo konnte sich Granz etwas von Steinruck lösen, wurde aber 2 km vor Schluss von der Frankfurterin wieder ein- und überholt. Auf den letzten 3 km zeigte vorne Alina, die diesen Lauf aus dem vollen Training mit Umfängen von 160 km/Woche im Leistungszentrum Kienbaum bestritt, noch einmal ihre herausragenden Qualitäten.
Alina Reh (SSV Ulm 1846) gewann die Berlin 10K Invitational bei den Frauen in 31:26. (c) H. Winter
Zusammen mit ihrem Tempomacher Knall absolvierte sie das letzte Streckensegment mit km-Splits von 3:07, 3:07 und 3:02, d.h. die letzten 3 km in 9:17,1 – das war auf die Sekunde genau ein Tempo von 30:57 für 10 km. Leider kam diese Temposteigerung zu spät. Nach 31:26 erreichte Alina das Ziel am Ende des Schmöckwitzer Damms und verpasste damit ihre PB, die sie 2018 bei ihrem Sieg in Berlin bei den Great10K aufstellt hatte, um ganze 3 Sekunden. Gleiches widerfuhr auf Platz 2 Katharina Steinruck, die in 32:41 Zweite des Rennens vor Caterina Granz in 32:47 wurde. Die Mittelstrecken-Spezialistin aus Berlin „pulversierte“ damit ihre PB von 34:02 im Sinne des Wortes.
Die Plätze 4 und 5 gingen an Deborah und Rabea Schöneborn in 34:28 bzw. 34:32. Weiterhin waren noch die deutsche Nachwuchshoffnung Josina Papenfuß (SCC Events Pro Team) sowie Mayada Al-Sayad (1. VfL Fortuna Marzahn) am Start, die allerdings nur die halbe Distanz im Programm hatten. Kurz hinter der 2. Wende befand sich an der 9 km-Marke auch das 5 km-Ziel, das Josina in 16:30 und Mayada nach 17:32 erreichten.
Die Erstplatzierten bei den Frauen: Katharina Steinruck, Alina Reh und Caterina Granz (v.l.). (c) B. Winter
Fazit: Die Berliner Veranstaltung hat gezeigt, dass auch mit den Virus induzierten Einschränkungen hochklassiger Straßenlauf möglich ist. Die Athleten haben jedenfalls die Chance, wieder Wettkämpfe bestreiten zu können, sehr begrüßt und mit großartigen Leistungen zum Erfolg der Unternehmung beigetragen. Mehr als kontraproduktiv kann da nur die Entscheidung des DLV bezeichnet werden, alle Meisterschaften auf der Straße in diesem Jahr auszusetzen.
Impression am Rande: Mustapha Al Quartassy liegt erschöpft am Boden, seine Zeit auf der Uhr wurde dann vom Kampfgericht auf 30:07 aufgerundet. Die GPS-Videostream-Analyse der Zielkamera ergab 30:06,64 Minuten … (c) B. Winter
Somit könnten Veranstaltungen dieser Art, die sich dann auch an die aktuellen Entwicklungen mit reduzierten Auflagen anpassen könnten, eigentlich noch wichtiger werden. Vielleicht motiviert ja der Erfolg der Aktion im Wald von Rauchfangswerder, eine Neuauflage dieses Events ins Auge zu fassen. Das Zertifikat über die offiziell vermessene Strecke ist noch bis Ende des Jahres 2020 gültig. Und vielleicht gibt ja auch bis dahin der Dieb der Streckenschilder in der Nacht vor dem Lauf diese für den angestammten Zweck zurück.
Ergebnisse 10 km der Männer: | |||
1. | Johannes Motschmann | SCC Events Pro Team | 29:11 |
2. | Nils Voigt | TV Wattenscheid 01 | 29:24 |
3. | Fabian Clarkson | SCC Events Pro Team | 29:36 |
4. | René Menzel | Hannover Athletics | 29:38 |
5. | Tim Ramdane | LG Telis Finanz Regensburg | 29:40 |
6. | Mustapha Al Quartassy | 1. VfL Fortuna Marzahn | 30:07 |
7. | Filip Vercruysee | SCC Berlin | 30:43 |
8. | Philipp Baar | SCC Events Pro Team | 30:54 |
Ergebnisse 10 km der Frauen: | |||
1. | Alina Reh | SSV Ulm 1846 | 31:26 |
2. | Katharina Steinruck | Eintracht Frankfurt | 32:41 |
3. | Caterina Granz | LG Nord Berlin | 32:47 |
4. | Deborah Schöneborn | LG Nord Berlin | 34:28 |
5. | Rabea Schöneborn | LG Nord Berlin | 34:32 |
Ergebnisse 5 km der Frauen: | |||
1. | Josina Papenfuß | SCC Events Pro Team | 16:30 |
2. | Mayada Al-Sayad | 1. VfL Fortuna Marzahn | 17:32 |
Splits von Alina Reh | |||
200 m | 0:35,5 | 2:57 | |
400 m | 1:13,9 | 3:05 | |
600 m | 1:52,4 | 3:07 | |
800 m | 2:31,5 | 3:09 | |
1 km | 3:09 | 3:09 | 31:28 |
2 km | 6:16 | 3:08 | 31:22 |
3 km | 9:26 | 3:09 | 31:25 |
4 km | 12:34 | 3:08 | 31:24 |
5 km | 15:45 | 3:11 | 31:29 |
6 km | 18:55 | 3:10 | 31:31 |
7 km | 22:09 | 3:14 | 31:38 |
8 km | 25:16 | 3:07 | 31:35 |
9 km | 28:23 | 3:07 | 31:33 |
10 km | 31:26 | 3:02 | 31:26 |